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Beigeordnete Birgit Weber im Gespräch

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auf der rechten Seite ist eine Frau abgebildet und auf der Linken Seite steht ein Zitat von ihr

Birgit Weber ist seit 2013 Beigeordnete des Landkreises Bautzen und Vorsitzende des Regionalen Begleitausschusses im Lausitzer Revier. Noch vor der anstehenden ersten Sitzung des Ausschusses am Dienstag, den 29. Juni 2021, in Weißwasser, konnten wir mehr über die wandelerprobte Lausitz erfahren.

 

In der Lausitz steht Ende Juni die erste Sitzung des Regionalen Begleitausschusses (RBA), bei dem über konkrete Projekte für den Strukturwandel gesprochen wird, auf der Agenda. Sie, Frau Weber, haben für das Jahr 2021 den Vorsitz des RBA in der Lausitz inne. Welche Ziele haben Sie sich für diese Aufgabe gesetzt?

Nun, zunächst geht es ja nicht um mich, sondern um das Miteinander. Ich habe den Vorsitz des RBA als Mandat erhalten und insofern eine Aufgabe zu erfüllen. Dabei möchte ich ganz klar Fakten schaffen und nun die Projekte greifbar umsetzen, die die Menschen im Lausitzer Revier geplant haben.

 

Nach langem Ringen und vielen, vielen Beratungen sind in den letzten Monaten die Grundvoraussetzungen geschaffen worden, um den Strukturwandel nun aktiv nach vorne treiben zu können. Wie haben Sie diese Zeit erlebt?

Wir stehen am Anfang eines Prozesses, der meiner Auffassung nach in Bezug auf den Zeitbedarf noch mal deutlich hinterfragt werden sollte. Ich finde, dass beispielsweise schon viel zu lange an den Regeln zu Prozessumsetzung gearbeitet wurde. Jetzt müssen wir einfach mal machen – so zügig wie möglich.

 

Wenn man in der Lausitz unterwegs ist und von Strukturwandel spricht, nimmt man nicht nur eine nachvollziehbare Zukunftsangst wahr, sondern auch eine gewisse Resignation. Es wird immer wieder darauf verwiesen, dass die Nach-Wende-Erfahrungen ernüchternd waren. Worin sehen Sie den Schlüssel, bei den Lausitzern Vertrauen schaffen zu können?

Woher kommt eigentlich diese negative Wahrnehmung einer frustrierten Region? Ganz ehrlich: Meines Erachtens ist dieses Bild über die Lausitzer falsch. Ich sehe in diesem Landstrich hauptsächlich eine aktive, engagierte Region.

Vertrauen schafft man natürlich in erster Linie durch Beteiligung. Die findet hier auf der Ebene der Städte und Gemeinden im Rahmen der kommunalen Parlamente statt. Erste Ansprechstelle für die Bürger sind die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister. Ihnen obliegt es, diese schwierige Aufgabe zu schultern. Wir unterstützen hier sehr gern, auch mit Erläuterungen, welche Möglichkeiten das Strukturstärkungsgesetz für die Kommunen bietet.

In dem Zusammenhang finde ich es bedauerlich, dass die etablieren Mitmach-Fonds für die zivilgesellschaftlichen Projekte leider nicht weiter umgesetzt werden.

Doch zurück zu Ihrer Frage: Ich erlebe hier in der Lausitz täglich motivierte Frauen und Männer, die immer wieder versuchen, die Rahmenbedingungen für sich zu nutzen und die sich mit Kraft und viel Herzblut für die Region einsetzen. Natürlich sind die auch sehr kritisch, aber immer an Lösungen interessiert und vor allem enorm kreativ. Und genauso sollten

wir an die Aufgaben herangehen, die vor uns liegen: kreativ, konstruktiv-kritisch und lösungsorientiert. Ich denke, die Lausitz hat da wirklich eine Menge zu bieten.

 

Gebürtig kommen Sie aus Westfalen – Lippe, einer Region, in der ehemals Steinkohle abgebaut worden ist. Haben Sie konkrete Erinnerungen an die Zeiten, als die Kohle der Motor ganzer Regionen war?

Wissen Sie, ich habe im Ruhrgebiet gelebt und studiert, als der Umbruch dort schon deutlich erkennbar war. Jetzt bin ich seit 30 Jahren in der Lausitz zu Hause. Diese Gegend ist mir Heimat geworden.

Und dann kann man Regionen ja nicht eins zu eins miteinander vergleichen. Die Ausgangssituationen sind deutlich andere. Jede Gegend ist für sich einzigartig. Und genau dieses Einzigartige gilt es herauszustellen.

Für die Lausitz sind das ganz klar ihre Vielfalt, ein starker Mittelstand, das eben erwähnte Engagement und die Kreativität ihrer Bürger sowie das gute Miteinander.

Ich denke, wir können stolz darauf sein, dass sich unsere Region nach dem Umbruch 1990 positiv entwickelt hat und sich heute so stark präsentiert. Damals standen innerhalb weniger Monate plötzlich weit mehr Menschen auf der Straße, als heute vom Strukturwandel betroffen sind. Der Umbruch, den wir heute erleben, ist geplant und wird von Politik und Gesellschaft begleitet. Ich bin zuversichtlich, dass wir auch diesen Wandel gemeinsam meistern werden.

 

Nun ist der Strukturwandel kein Unterfangen, das in fünf Jahren erfolgreich beendet sein wird. Insgesamt sprechen wir derzeit von einem Zeitrahmen bis 2038, wobei einiges zügiger funktionieren, manches etwas länger brauchen wird. Wo aber sehen Sie ganz persönlich die Region konkret 2038, wenn Sie sich die Lausitz vor Ihrem inneren Auge vorstellen?

Entwicklung findet ja immer statt und wird auch nach 2038 stattfinden. Aber wenn wir diesen Zeitraum betrachten, sehe ich die Lausitz eindeutig an der Spitze der östlichen Bundesländer, sehe starke mittelständische Unternehmen und nach wie vor Bürger mit großem Gestaltungswillen. Das muss jedenfalls unser gemeinsames Ziel sein.

Dabei müssen wir aufpassen, dass keine Neiddebatten entstehen zwischen dem Nord- und dem Südraum oder zwischen Groß- und Kleinprojekten. Wir müssen Projekte in allen Bereichen als förderlich ansehen. So ist das Thema Energieversorgung ja nicht nur für Unternehmen relevant, sondern auch für jeden Privat-Haushalt. Das ist nur ein Beispiel von vielen, die Herausforderungen stehen in allen Lebensbereichen an und müssen bewältigt werden.

Aber ich bin da optimistisch: Sehen Sie, die Lausitz hat zu jeder Epoche bewiesen, dass sie mit Wandel umgehen kann. Die Menschen und der Mittelstand haben schon immer die Anforderungen bewältigt, die die Geschichte an sie stellte. Ich nenne nur mal das Stichwort Via Regia. Oder denken Sie an den Bau der Eisenbahn im Zuge der Industrialisierung des Oberlandes. Das hat das Leben der Menschen auch erheblich verändert. Aber es hat die Region gleichfalls fit gemacht für das ausgehende 19. und das kommende 20 Jahrhundert. Da kann man durchaus viele Parallelen zum Breitbandausbau im 21. Jahrhundert entdecken.

Panta rhei, alles fließt, das wusste schon Heraklit. Der Strukturwandel in unserer Heimat kann nur gelingen, wenn wir alle an einem Strang ziehen.

 

Vielen Dank, Frau Weber, für das Gespräch!

 

 

Bild: Portrait Birgit Weber © Landratsamt Bautzen