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Dr. Romy Reinisch im Interview

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auf der rechten Seite ist eine Frau abgebildet und auf der Linken Seite steht ein Zitat von ihr

Im Vorfeld der 5. Sitzung des Regionalen Begleitausschusses (RBA) für das Lausitzer Revier, die am 7. Juni 2023 in Görlitz stattfindet, stand Dr. Romy Reinisch, zweite Beigeordnete des Landkreises Bautzen und RBA-Vorsitzende, der SAS für ein kurzes Interview zur Verfügung.

In der Lausitz steht Anfang Juni die nächste Sitzung des Regionalen Begleitausschusses (RBA) an. Sie haben für das Jahr 2023 in Vertretung von Landrat Udo Witschas den Vorsitz des RBA inne. Welche Ziele haben Sie sich für diese Aufgabe gesetzt?

Der Bund stellt für den vorzeitigen Kohleausstieg eine große Summe an Mitteln zur Verfügung, mit denen die Kohleregionen den Transformationsprozess gestalten können. Seit Ende 2020 arbeitet die kommunale Familie intensiv daran und hat bereits eine Vielzahl an Projekten eingereicht, die in den letzten vier Regionalen Begleitausschüssen schon erfolgreich bestätigt wurden. Die Herausforderungen des Förderverfahrens werden nun für einige Projektträger sichtbar und auch die aktuellen weltpolitischen Entwicklungen wirken sich erschwerend auf diesen Prozess aus.

Als Vorsitzende des Regionalen Begleitausschusses sehe ich es als meine Aufgabe an, die Akteure des Strukturwandels an einen Tisch zu holen und gemeinsam nach Lösungswegen zu suchen. Insoweit ist eine konstruktive und zielorientierte Zusammenarbeit mit der Sächsischen Agentur für Strukturwandel und dem Sächsischen Ministerium für Regionalentwicklung genauso wichtig, wie der Austausch zwischen den Landkreisen und seinen Kommunen.

Hierbei gilt es, die Potentiale für effektivere Verfahrensabläufe zwischen Einreichung des Projektvorschlags und die spätere Bewilligung der Zuwendung zu identifizieren und wirksam anzuwenden. Aber auch Möglichkeiten der Vor- bzw. Zwischenfinanzierung von bereits bestätigten Projekten sind zu beleuchten und mit den kommunalrechtlichen Rahmenbedingungen abzugleichen.

Im Regionalen Begleitausschuss ist eine Vielzahl an Interessengruppen vertreten, wodurch viele gesellschaftliche Fachthemen abgedeckt werden können. Die Diskussionen und Rückmeldungen aus den letzten Regionalen Begleitausschüssen haben gezeigt, dass die Einbindung der Interessengruppen für den Transformationsprozess und dessen öffentliche Wahrnehmung eine entscheidende Rolle spielen. Es muss uns in der Zusammenarbeit gelingen, diese Expertise noch stärker einzubinden und weiter zu nutzen. Über die Einrichtung von Fachnetzwerken, welche im Hinblick auf die Schwerpunktthemen wie Kreislaufwirtschaft, Gesundheitsregion Lausitz usw. nun etabliert werden sollen, können deren Sachverstand und Kompetenzen themengenau einfließen und die Entwicklung von Projekten voranbringen. Diesen Fachnetzwerkbildungsprozess werde ich in meiner Tätigkeit als Vorsitzende sehr gern positiv begleiten.

Nach einigen Anpassungen hat sich die Projektvorstellung einige Wochen vor der eigentlichen Sitzung etabliert. Dadurch können sich die Mitglieder direkt von den Projektträgern über die zur Abstimmung stehenden Projektvorschläge informieren lassen. Welchen Eindruck konnten Sie hier diesmal gewinnen?

Diese vorgelagerte Projekterörterung hat sich, nicht nur nach meinem Dafürhalten, ein weiteres Mal bewährt. Dadurch wird einerseits dem Projektträger die Möglichkeit gegeben, das eigene Projekt vorzustellen und andererseits wird den Mitgliedern des Regionalen Begleitausschusses ein wichtiges, auch online zugängliches, Veranstaltungsformat angeboten, in dem die Projektträger die Fragen fachspezifisch beantworten können.

Gern will ich beispielhaft das Projekt des navigierten OP-Roboters für Wirbelsäulenchirurgie des Städtischen Klinikum Görlitz herausgreifen. Mit diesem Projekt werden neueste Operationstechnologien eingeführt, die uns RBA-Mitgliedern noch nicht so in der Tiefe bekannt sind. Hier war es für den RBA außerordentlich interessant, mittels kurzem Demonstrationsvideo Einblicke in die aktuellen technischen Möglichkeiten der Medizintechnik zu bekommen, um sich damit letztlich ein Bild von den Effekten bei der perspektivischen Verbesserung der medizinischen Versorgung in der Region machen zu können.

Insgesamt bietet diese Projekterörterung den Ausschussmitgliedern die Möglichkeit, umfangreiche Informationen zu erhalten, welche eine fundierte Bewertung der Projekte ermöglicht. Deshalb werde ich an dieser vorgelagerten Projekterörterung festhalten.

Wo liegt der derzeitige Fokus der eingereichten Vorhaben?

Von den Projekten, zu denen der Regionale Begleitausschuss des Lausitzer Reviers in seiner 5. Sitzung votieren wird, sind drei Projekte dem Schwerpunktthema „Gesundheitsregion Lausitz“ zuzuordnen. Durch derartige Projekte wird der im Grundgesetz verankerten Gewährleistung gleichwertiger Lebensverhältnisse im ländlichen Raum entsprochen. Das kann auch ich nur positiv unterstützen. Gerade die gezielte Verbesserung der fachärztlichen Gesundheitsversorgung in unserer Region bildet inzwischen eine wichtige Voraussetzung zur Verbesserung der Lebensqualität. Diese ist unabdingbar, um die hier lebenden Menschen in unserer Region zu halten und um zukünftige Fachkräfte für diese Region zu gewinnen.

Letztlich bildet auch die Bewältigung des Fachkräftemangels eine maßgebliche Grundlage für einen erfolgreichen und zukunftsorientierten Strukturwandel.

Wie bilden sich die festgelegten Schwerpunkte im bisherigen Verlauf ab?

Zahlreiche der bereits behandelten Projekte können einem der fünf Schwerpunkte zugeordnet werden. Derzeit stehen wir noch im Prozess der Etablierung der Fachnetzwerke zu den für unsere Kohleregion identifizierten Schwerpunktthemen. Für das Fachnetzwerk zum Schwerpunktthema „Gesundheitsregion Lausitz“ erfolgte im Mai 2023 die Auftaktveranstaltung. Bereits im Vorfeld wurden sechs Projekte durch den Regionalen Begleitausschuss zu diesem Schwerpunkt bestätigt. Eine weitere Veranstaltung zum Thema „Energiemodellregion“ ist für Anfang Juni 2023 geplant. Es geht nun stetig voran.

Sie vertreten ja durchaus die Meinung, die Menschen vor Ort müssen noch stärker eingebunden werden. Wo müssen Sie als RBA möglicherweise noch aktiver auf die Menschen zugehen, um die Bürgerinnen und Bürger vor Ort einzubinden?

„Tue Gutes und rede darüber.“ Die wirtschaftliche Zukunft der Oberlausitz wird maßgeblich vom Engagement, der Kreativität und der Innovationskraft der hier lebenden und für die Region unterstützenden Menschen getragen. An dieser Stelle möchte ich auch betonen, dass gerade den Jugendlichen von heute als Fachkräfte von morgen eine ganz besondere Rolle zukommt.

Aus bisher geführten Diskussionen wird deutlich, dass der eingeleitete Strukturwandel für die hier lebenden Menschen vielfältige Fragestellungen aufwirft und teilweise Verunsicherungen mit sich bringt. Durch umfassende Information und Einbindung der Bevölkerung gilt es diesen vorausschauend vorzubeugen. Auf bestehende Fragestellungen müssen Antworten vermittelt und damit Irritationen aufgelöst werden. Am Beispiel des Deutschen Zentrums für Astrophysik wird deutlich, wie wichtig eine transparente Öffentlichkeitsarbeit ist. Von der anfänglichen Skepsis ist nur noch wenig zu hören. Die Menschen fühlen sich gut informiert. Ob ein Projekt Zustimmung in der Bevölkerung erfährt, ist also schlussendlich auch vom Kenntnisstand der Bürgerinnen und Bürger abhängig.

Der Regionale Begleitausschuss tagt turnusmäßig halbjährlich und agiert zum Großteil ehrenamtlich. Daran wird deutlich, dass eine lebendige und proaktive Öffentlichkeitsarbeit auf breitere Schultern verlagert werden muss. Hier sehe ich alle beteiligten Einrichtungen einschließlich der Sächsischen Agentur für Strukturentwicklung und dem Sächsischen Staatsministerium für Regionalentwicklung zu einer transparenten und kontinuierlichen Informationsvermittlung aufgefordert.

Als einen guten und auch wichtigen Ansatz sehe ich das durch die SAS in Zusammenarbeit mit der Deutschen Kinder- und Jugendstiftung Sachsen in Erarbeitung befindliche Konzept zur Kinder- und Jugendbeteiligung im Rahmen des Strukturwandelprozesses. Nach dessen Fertigstellung werden wir uns über die gemeinsame Umsetzung unter Einbindung weiterer Partner abstimmen. Selbstverständlich unterstützen die Mitglieder des Regionalen Begleitausschusses im Rahmen ihrer Möglichkeiten diesen Informationsprozess.

Wie kann es dem RBA als ein wichtiges Rädchen im Strukturwandelprozess gelingen, dass die Menschen diese Transformation ihrer Region als Chance begreifen und realisieren?

Der Natur der Sache geschuldet, sind bei vielen, der bereits bestätigten Strukturstärkungsprojekten derzeit noch keine fertiggestellten Investitionen, als Zeugnisse dieses eingeleiteten Prozesses sichtbar. Dies wird sich allerdings mit jedem Baufortschritt der in die Umsetzung gebrachten Projekte ändern. Ich bin davon überzeugt, dass in den nächsten zwei Jahren der Strukturwandelprozess in der Region sichtbar wird.

Da der Regionale Begleitausschuss sein Votum zu eingereichten Projektvorschlägen abgibt, wäre es aus meiner Sicht wichtig, im Rahmen der begleitenden Öffentlichkeitsarbeit über die Medien stärker zu vermitteln, welche Bedeutung jedes einzelne Projekt in der betreffenden Teilregion oder der Stadt/Gemeinde für die perspektivische Bewältigung der Herausforderungen des Strukturwandels einnimmt. Insbesondere da eine Reihe von Projektüberschriften keinen Bezug zum Strukturwandel vermuten lassen, erscheint mir ein solches Herangehen als angebracht. Eine solche vermittelnde Pressearbeit könnte den wichtigen Identifizierungsprozess, der hier lebenden Menschen, spürbar unterstützen.

Wo sehen sie die Stärken der Lausitz?

Die Wirtschaftsregion im Dreiländereck Deutschland, Polen und Tschechien, also im Herzen Europas, ist seit Generationen eng verbunden mit der Industrie in der Region. Die Stärken der Lausitz haben sich bereits Anfang der 1990er Jahre gezeigt.Bereits damals wurde deutlich, dass man Transformation kann, gemeinsam mit starken Partnern.

Dies zeigt sich heute in attraktiven Gewerbe- und Industrieflächen, einer guten Infrastruktur und an interessierten Partnern für Forschung und Innovation. Die gut aufgestellte Wirtschaft zeigt sich heute überwiegen in kleinen und mittelständischen Unternehmen neben den größeren wie der Deutschen Accumotive GmbH, der TDDK GmbH, der Trumpf GmbH oder der Paul Bauder GmbH, um nur einige zu nennen. Für hochqualifizierte und motivierte Fachkräfte findet sich hier eine hohe Lebens- und Freizeitqualität. Als Unternehmen erhält man die Unterstützung aus der Region, hat die Möglichkeit Förderangebote zu nutzen und befindet sich inmitten der Modellregion für die Deutsche Energie- und Mobilitätswende.

Als Wissenschaftsstandorte im sächsischen Teil des Lausitzer Reviers stehen die Hochschulen in Görlitz und Zittau zur Verfügung, auch die Berufsakademie Bautzen strebt nun einen Hochschulstatus an. Die TU Dresden beabsichtigt in Hoyerswerda die Errichtung eines Forschungs-Campus Smart Mobility Lab zum autonomen Fahren und Fliegen.

Für Freizeit und Erholung findet man hier das Oberlausitzer Bergland, die Heide- und Teichlandschaft im UNESCO–Biosphärenreservat oder das Lausitzer Seenland (Europas größte künstlich geschaffene und mit schiffbaren Überleitern verbundene Seenlandschaft) für die vielfältigsten Interessenlagen.

Die Lausitz war, ist und bleibt Energieregion in all ihren Facetten und im Wandel der Zeit.

Vielen Dank, Frau Dr. Reinisch.