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Dr.-Ing. Klaus Freytag im Interview

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auf der rechten Seite ist ein Mann abgebildet und auf der linken Seite ist ein Zitat von ihm

Dem promovierten Bergbauingenieur Klaus Freytag liegt der Strukturwandel beiderseits der brandenburgisch-sächsische Grenze nicht nur von Amts wegen her am Herzen. Mit ihm, dem Lausitz-Beauftragten des Ministerpräsidenten des Landes Brandenburg, haben wir uns zum Interview getroffen…

 

Herr Freytag, Sie sind der Lausitzbeauftragte des Bundeslandes Brandenburg, sind direkt Ministerpräsident Dietmar Woidke unterstellt und kümmern sich um das Thema Strukturwandel. 10,3 Milliarden Euro stehen laut des Strukturstärkungsgesetzes, das August 2020 in Kraft getreten ist, für Brandenburg bis 2038 zur Förderung der vom Kohleausstieg betroffenen Regionen zur Verfügung. Wie sieht Ihre Zwischenbilanz nach gut anderthalb Jahren aus? Was läuft gut und wo sehen Sie noch Nachbesserungspotenzial?

 

Bei den Finanzhilfen, dem sogenannten Arm 1, haben wir über das im Land Brandenburg etablierte Werkstattverfahren unter Regie der Wirtschaftsregion Lausitz (WRL) bereits 50 Projekte für förderwürdig erklärt und damit Mittel von über 1 Mrd. € für die Projekte bereitgestellt.

 

Wichtig ist, dass wir dabei die Prioritäten auf Wirtschaft, Forschung und Entwicklung sowie die Fachkräfteentwicklung gelegt haben. Daseinsvorsorge und Kultur bedingen aber auch den Strukturwandel, sie sind wichtige weiche Standortfaktoren und flankieren den Transformationsprozess. Unser bisheriges Verhältnis von ca. 75 % der gebundenen Fördermittel in den Bereichen Wirtschaft, Forschung und Fachkräfte und ca. 25 % für die weichen Faktoren zeigen klar unseren Fokus.  

 

Nachbesserungspotenzial sehe ich in den Verfahren, die nach der Entscheidung der Förderwürdigkeit folgen. Viele Antragsteller benötigen noch Zeit um alle Antragsunterlagen zusammenzustellen um diese dann bei der Förderbank, der Investitionsbank des Landes Brandenburg (ILB), einzureichen. Hier muss schneller agiert werden, um die Sichtbarkeit in die Strukturentwicklung zu bekommen und natürlich auch einen Mittelabfluss zu bekommen. Auch bei der Beteiligung wollen wir uns zukünftig noch breiter aufstellen, mir fehlt z. B.  die Jugend, die in den Werkstätten und bei Projekten mitmischt. Ergänzend müssen wir die Kommunikation verbessern, viele Lausitzerinnen und Lausitzer wissen einfach noch nicht, was hier gerade Positives passiert.

 

 

Bei Ihnen im Kabinett wurde das Prozesspapier „Lausitzprogramm 2038“ beschlossen. Können Sie uns grob umreißen, was dieses beinhaltet?

 

Ich nenne es kurz den „Lausitzfahrplan“. Er zeigt unsere Prioritäten und Highlights auf und beschreibt das Zusammenspiel aller Akteure. Formal ist es das „Prozesspapier zum Aufbau von Entscheidungs- und Begleitstrukturen im Transformationsprozess“. Fahrplan passt irgendwie, letztendlich soll das LP2038 auch wie ein Fahrplan an sich ändernde Bedingungen angepasst werden. So werden wir das Lausitzprogramm 2038 fortschreiben und an die Entwicklungen der Transformation anpassen. Wir können heute noch nicht wissen, ob die Eckpfeiler der Transformation auch morgen noch passen.

 

 

Nun ist die Lausitz zweigeteilt – sowohl Ihr Bundesland Brandenburg, als auch der Freistaat Sachsen sind intensiv damit beschäftigt, den Strukturwandel in der Region zu vollziehen. Wie schwierig gestaltet sich der Prozess durch diese Zweiteilung? Haben sich hier inzwischen Synergieeffekte oder auch Kooperationen eingestellt?

 

Zweigeteilt ist für mich hier nicht das richtige Wort. Der Prozess erfolgt und funktioniert nur über Verwaltungsgrenzen hinweg. Wir sind mit dem Freistaat Sachsen im ständigen Austausch. Um diese enge Zusammenarbeit auch zu dokumentieren haben wir im Dezember 2021 eine Kooperationsvereinbarung unterzeichnet. Der Wandel in unserer Lausitz kann nur funktionieren, wenn dieser grenzüberschreitend gedacht wird, dazu zählen auch Regionen in Polen und Tschechien. Konkrete Kooperationen gibt es bei der räumlichen Entwicklung des Industriepark Schwarze Pumpe aber auch bei den vielen Infrastrukturprojekten von Schiene und Straße. Ehrlicherweise muss man natürlich sagen, dass uns spätestens beim Geld die administrative Landesgrenze beim Fördermitteleinsatz zusätzlich fordert.

 

 

Ein Projekt bei Ihnen, das zuletzt stark in den Medien wahrgenommen werden konnte, ist das neue Bahnwerk in Cottbus. Der Bau soll dieses Jahr beginnen und ab 2024 sollen die ersten ICE-Züge dort gewartet werden. Was darf man von diesem Projekt für die Lausitz erwarten?

 

Hier werden Industriearbeitsplätze geschaffen. Es ist der Erfolg unseres Ministerpräsidenten, der das Projekt in das Strukturstärkungsgesetz hineinverhandelt hat. Nicht nur die geplanten 1.200 Stellen werden hier geschaffen, man muss auch indirekt betroffene Unternehmen berücksichtigen. Wichtig ist, dass wir jetzt die entsprechenden Fachkräfte vor Ort, aber auch von außen gewinnen.

 

 

Ebenfalls oft zu lesen ist von einer vorherrschenden Wasserknappheit in der Region. Durch den Bau des Tesla-Werkes wurde auf diesen Umstand sicherlich nochmal besonders genau geschaut. Wie wollen Sie dieses Problem lösen?

 

Nach meiner Kenntnis sind die zuständigen Ministerien, Behörden und Bundesinstitute (MLUK, LBGR, UBA, BGR etc.) mit Weitblick unterwegs. Als Ingenieur weiß ich, dass man das Problem lösen kann und muss. Wir haben mit dem Strukturstärkungsgesetz auch hier Möglichkeiten der Förderung für dieses Themenfeld. Warum sollte nicht eine Mehrzweckhalle mit begrüntem Dach und Mauern, die durch Verdunstung zusätzlich für eine bessere Umgebungstemperatur sorgen, unter dem Aspekt der Ressourcenschonung gefördert werden.

 

 

Nun hatte man sich im sogenannten Kohlekompromiss auf den Ausstieg aus der Kohleverstromung für 2038 geeinigt und den Menschen damit versucht, eine gewisse Planungssicherheit zu geben. Durch den Regierungswechsel in Berlin und den neuen Koalitionsvertrag wurde daraus ein „idealerweise 2030“. Das sorgt durchaus wieder für neue Verunsicherung, in zweierlei Hinsicht: Kann ein Kohleausstieg bis dahin gelingen und wie soll bis dahin die Energiewende so vollzogen sein? Wie stehen Sie zu diesen Überlegungen?

 

Wir haben das Datum 2038 erst vor drei Jahren intensiv und lange verhandelt und auch unser Lausitzprogramm ist darauf ausgerichtet. Die Formulierung lautet „idealerweise“ und dies bedeutet, dass weiterhin die Absprachen bezüglich neuer Arbeitsplätze, zur Versorgungssicherheit, Netzstabilität und bezahlbaren Energiepreisen gelten. Diese Absprachen sollen Ende des Jahres 2022 überprüft werden, dann schauen wir mal…

 

 

Losgelöst vom endgültigen Datum, wann die letzte Kohle aus dem Boden gegraben werden wird: Wenn Sie sich eine Lausitz entwerfen könnten, die zu 100% Ihren Vorstellungen und Wünschen entspricht, wie sähe die Lausitz nach dem Kohleausstieg aus? Mit was wird man in Zukunft die Lausitz deutschland-, europa- und weltweit verbinden?

 

Wir wollen und werden Energieregion bleiben, nur moderner und nachhaltiger. Ich sehe die Lausitz klar vorn beim Thema Wasserstoff und neuer Mobilität. Die ersten Boten; Kathodenproduktion in der BASF Schwarzheide und die Investition von Rock Tech Lithium in Guben sind klare Zeichen der Zukunft. Auch das bekannte Tesla-Werk wird eine klare Strahlkraft in der Lausitz entfachen. Die Schienenanbindungen bis nach China werden den Bereich Logistik positiv beflügeln. Wenn ich ehrlich bin und mir die Lausitz so gestalten kann wie sie sein soll: Eine junge Region die vor Erfindergeist und Enthusiasmus nur so protzt, dabei weltoffen ist und jeden willkommen heißt, der mitgestalten will.

 

 

Vielen Dank für das Gespräch, Herr Freytag.