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Oberbürgermeister Torsten Ruban-Zeh im Interview

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es ist Ruban Zeh abgebildet und rechts neben ihm ein rose Zitat von ihm.

Hoyerswerda ist die größte Stadt im Nordosten des sächsischen Teils der Lausitz und war seit jeher strukturellen wie gesellschaftlichen Wandelprozessen unterworfen. Torsten Ruban-Zeh ist seit November 2020 Oberbürgermeister der von vielen umgangssprachlich „HOYWOY“ genannten Stadt im Landkreis Bautzen.

 

Im Interview mit der SAS sprach er über seine Motivation sich für die einstmals über 71.000 Einwohner zählende Stadt einzusetzen und welche Weichen für einen erfolgreichen Strukturwandel gestellt werden müssen.

 

 

Herr Ruban-Zeh, Sie sind seit letztem Jahr Oberbürgermeister der Stadt Hoyerswerda und beschäftigen sich in dieser Funktion natürlich auch ausführlich mit dem Thema Strukturwandel. Welche Ziele haben Sie sich diesbezüglich gesteckt?

 

Hoyerswerda hat in dieser Phase einmalig und auch letztmalig die Chance sich wieder neu im Norden Sachsens zu positionieren. Viel zulange hat die Stadt ruhig den bisherigen Entwicklungen zugeschaut und die Initiative der mittelständischen Industrie und den Umlandkommunen zugewiesen. So kann es aber nicht funktionieren. Die größte Stadt im nordöstlichen Raum Sachsens hat nicht nur eine Verantwortung für ihre Bürger, sondern auch für die Umlandgemeinden und für die Entwicklung der nördlichen Region. Diese werden und wollen wir nun auch ausfüllen. Die Eröffnung unserer Energieleitzentrale und die Gründung unseres Lausitzwerkes, einer Tochter der VBH ist dabei ein Beginn. Das Engagement für ein Großforschungszentrum und überhaupt die Ansiedlung von Wissenschaft und Forschung stellen die Grundlage für die künftige Ansiedlung von kleinen und mittelständischen Unternehmen dar. Wir wollen mit den vorhanden urbanen Merkmalen und den zukünftigen Ansiedlungen stetig und gesund wachsen.

 

 

Die Lausitz erlebt nicht ihren ersten Strukturwandel. Sie selbst waren einige Jahre beruflich in Russland tätig, kehrten dann nach Sachsen zurück. Welche Veränderungen haben Sie nach Ihrer Rückkehr bereits wahrgenommen?

 

Das erste Mal hat es mich im Jahr 2000 nach Hoyerswerda geführt. Damals in der Funktion des Globus SB Warenhaus Geschäftsleiters. Die Stadt hatte einen enormen Abwanderungsschwund von Menschen erlebt, die sich in anderen Regionen Deutschlands um Arbeit bemühten. Viele junge Menschen hat es dabei direkt nach Ihrer Ausbildung oder zur Ausbildung in die Ferne gezogen. Was zu diesem Zeitpunkt die Stadt nicht bieten konnte, waren die Gründe wieder zurückzukehren. Aber die Stadt hat gelebt und sich gewandelt.

 

Als ich 2011 aus Russland zurückkehrte fand ich eine Stadt mit Selbstbewusstsein und Aufbruchsstimmung vor. Die Fördermittel die es für Rückbau und den Stadtumbau gab, waren größtmöglich abgeschöpft und intelligent eingesetzt. Einzig fehlte ein positives Marketing über die Stadtgrenzen hinaus.   

 

 

Was genau hat Sie dazu bewegt, sich für diese Region einzusetzen?

 

Das waren die positiven Erlebnisse mit den Menschen der Stadt aus den vergangenen Jahren. Bei uns leben Menschen, die etwas anpacken und bewegen wollen. Natürlich sind sie kritisch, was ich aber als eine zu tiefst positive Eigenschaft halte. Nur das kritische Betrachten der Realität und der Dinge erlauben uns eine Veränderung herbei zu führen.

 

 

Nun ist es ja so, dass die Lausitz in zwei Bundesländern liegt, der Strukturwandel aber an keinen Landesgrenzen Halt machen wird. Sie haben in der sogenannten Lausitzrunde mit Frau Herntier beispielsweise auch eine Vertreterin aus Brandenburg mit dabei. Wie genau kann es Ihrer Meinung nach gelingen, die Lausitz als Gesamtes zukunftsfähig zu gestalten, egal ob sächsischer oder brandenburgischer Teil?

 

Es ist wirklich sehr schade das sich Brandenburg und Sachen im Strukturwandel auf zwei verschiedene Wege begeben haben. Nun kann man dies zwar noch kritisch anmerken, wir werden es aber nicht mehr verändern können. Es gilt also nun diesen Fakt und die Kritik anzunehmen und etwas daraus zu machen.

 

Die größten Chancen haben wir dabei in der interkommunalen Zusammenarbeit von unseren Städten. Erst am 14.07.2021 konnten wir unsere Energieleitzentrale im Computermuseum Conrad Zuse in Hoyerswerda präsentieren. Zu meiner Freude waren Vertreter der verschiedensten sächsischen und brandenburgischen Kommunen sowie Frau Dr. Reinisch von der SAS, Herr Jahn GF der WRL und auch Herr Huntemann vom SMR Sachsen anwesend.

Genau die intelligente Steuerung und das Sammeln von Daten und Prozessen auf den Ebenen der Energie, Wasser und Wärme zeigt, dass es keinen Ländergrenzen für zukünftige intelligente Prozesse im Strukturwandel gibt.

 

 

Wenn man mal ein wenig über den Tellerrand hinweg schaut in die anderen Kohleregionen Deutschlands, dann muss man beispielsweise konstatieren, dass das Saarland den Wandel weg von der Steinkohle im Schulterschluss mit seinen Nachbarstaaten Frankreich und Luxemburg umgesetzt hat. Glauben Sie, dass ein solches Zusammenwirken auch mit Polen und Tschechien möglich sein wird, um grenzüberschreitende Synergieeffekte ausspielen zu können?

 

Natürlich ist dies möglich und es wird sich auch nicht anders bei den vor uns stehenden europäischen Aufgaben realisieren lassen. Die Einsicht zu einem gemeinsamen Handeln ist allerdings bei den verschiedenen Partnern noch nicht auf der gleichen Ebene vorhanden. Wir sollten uns allerdings immer wieder vor Augen führen, dass der geographische Mittelpunkt Europas in Litauen liegt. Jawohl dieser liegt in Litauen und somit befinden wir uns mit Polen und Tschechien nicht am Rand Europas und wir können den Weg nur gemeinsam beschreiten.

 

Vor drei Wochen hatten eine Delegation des tschechischen Senats und des Unterausschusses Strukturwandel bei uns in Hoyerswerda. Die Tschechen sehen uns als Vorreiter und beginnen sich damit auseinanderzusetzen. Wir werden in der Zukunft die geknüpften Kontakte nutzen, um auch gemeinsame Projekte umzusetzen.

 

Polen hingegen tut sich in den vergangenen Jahren im Allgemeinen ein wenig schwer mit der Zusammenarbeit mit deutschen offiziellen Behörden. Hier setze ich aber auf die Vernunft der Menschen. So wird auch dies noch werden.

 

 

Wo genau könnten die Stärken dieser Grenzregionen liegen?

 

Wir haben alle drei Länder die historische gemeinsame Chance, im Zentrum von Europa einen Strukturwandel zu erleben, zu gestalten und wegweisend umzusetzen. Dieser Strukturwandel wird beispielhaft für zukünftige Strukturwandel jeglicher Art (Automobilindustrie/Agrarwirtschaft u.v.m.) in ganz Europa und auf anderen Kontinenten sein. Deshalb sollten wir ihn auch gemeinsam denken, über jegliche Grenzen hinaus.

 

 

In aller Regel werden Politiker beim Thema Strukturwandel immer nach ihren Visionen gefragt. Allerdings sind doch die Erinnerungen, die Geschichten der Vergangenheit und der Menschen nicht weniger wichtig in diesem Gestaltungsprozess und sollten auch bewahrt werden. Welche Erinnerungen beispielsweise aus Ihrer Kindheit haben Sie ganz persönlich an den Braunkohletagebau?

 

Da ich in der frühen Kindheit und in der Jugend in und um Berlin herum sowie im Ausland aufgewachsen bin, sind meine Erinnerungen an die Braunkohle eher die aus den staatlichen Nachrichten. Entweder waren dies Bilder und Nachrichten von erfolgreichen Neuerschließungen und zum Beispiel dem Aufbau von Hoyerswerda oder die Anstrengungen und Entbehrungen im Winter. Hier waren regelmäßig Berichte von der Unterstützung unserer damaligen Streitkräfte zu sehen. Also kurz und knapp, Braunkohletagebau war etwas Gigantisches und furchtbar schwer und anstrengend.

 

 

Neben der Schaffung neuer Arbeitsplätze wird es enorm wichtig sein, die Menschen in der Region zu halten, bestenfalls einen Bevölkerungszuzug zu erzielen. Wie genau wollen Sie das für Hoyerswerda realisieren und wo sehen Sie das Faustpfand Ihrer Stadt? Und wie kann man unter den Menschen Vertrauen und Begeisterung entfachen, dass der Strukturwandel gelingen wird?

 

Wir haben es selbst in der Hand. Mitte Juli waren bei uns der Ministerpräsident Sachsens, Michael Kretschmer, und eine Delegation des Helmholtz-institut Rossendorf, unter Leitung des Institutsleiters Prof. Dr. Schmidt bei uns zu Besuch. Der MP verabschiedete sich mit den Worten: „Ich konnte heute Hoyerswerda mit ganz anderen Augen wahrnehmen und habe viele Potentiale erkannt“. Gemeinsam haben wir einen Katalog an Punkten erarbeitet, welche wir in den kommenden Wochen und Monaten umsetzen werden.

 

Mit den Wissenschaftlern von Helmholtz haben wir dann den Tag verbracht und Ihnen Hoyerswerda und das Umland aus vollkommen anderen Blickwinkeln gezeigt. Alle Wissenschaftler arbeiten und leben nur 45 km von uns entfernt, aber keiner hatte auch nur die geringste Ahnung von dem Potential der Stadt. Eine Kollegin war sogar regelmäßig in ihrer Kindheit hier in den Ferien zu Besuch, aber das Hoyerswerda eine Altstadt besitzt war ihr vollkommen fremd.

 

Wir können auf das Erreichte stolz sein und müssen dies nun auch in das Umland und in die Städte Deutschlands transportieren. So werden wir es schaffen das man auf uns aufmerksam wird, wir interessant für wirtschaftliche Ansiedlungen, Wissenschaft, Forschung und Lehre werden. Dies wiederum ist die Grundvoraussetzung für unsere Jugend, in der Stadt zu bleiben oder nach einer erfolgreichen Ausbildung und dem Studium hierher zurückzukehren und hier gemeinsam mit uns die Stadt und die Region zu gestalten.

 

 

Abschließend aber natürlich die Frage aller Fragen: Wenn Sie sich Hoyerswerda im Jahr 2038 vorstellen, wie wird es aussehen?

 

Eine anerkannte und starke Stadt, durch einen gesunden Mittelstand geprägt, in der Wissenschaft, Forschung und Lehre vom Kindesalter bis hin zur stetigen Erwachsenenqualifizierung beheimatet ist.

 

Ein Anker des Fortschritts in der Lausitz für die Menschen der Lausitz.

 

 

Wir bedanken uns für das Gespräch, Herr Ruban-Zeh!