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Rap feat. Strukturwandel in der Lausitz

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auf der linken Seite ist ein Mann abgebildet und auf der rechten Seite ist ein Zitat von ihm

Telekommunikationstechniker, Referent, Rapper. Lars Katzmarek aus der Lausitz vereint viele Fähigkeiten und Talente auf sich. Mit eindringlichen Beats und tiefgründigen Worten kämpft er musikalisch für den Strukturwandel in seiner Herzensregion. Im Interview konnten wir uns über all jenes austauschen…

 

Herr Katzmarek, Sie sind Angestellter der LEAG und machen sich stark für die Belange der Beschäftigten im Tagebau und den Zuliefererbetrieben in der Lausitz. Sie vertreten hierbei den Part des Nachwuchses und bringen deren Belange in das Themenfeld des Strukturwandels mit ein. Was genau treibt Sie an, sich hierfür zu engagieren?

 

Die Zukunft der Lausitz hängt maßgeblich vom Gelingen des Strukturwandels ab. Das bedeutet konkret das Schaffen gut bezahlter, gewerkschaftlich gesicherter Industriearbeitsplätze, der volle Zugriff und sinnvolle Einsatz unserer Fördermittel für die Lausitz und die Umsetzung das Planungsbeschleunigungsgesetzes. Wenn daraus endlich greifbare Resultate entstehen ist das der Saatboden für eine lebenswerte und zukunftsgerichtete Lausitz. Ich kämpfe für diese Vision, weil ich die Landflucht der jungen Generation seit Jahren erlebe und auch die Hilflosigkeit der Nachwendezeit, innerhalb der eigenen Familie, hautnah gespürt habe.

 

Sie sprechen die Vergangenheit an. Dann gehen wir nochmal ein gutes Stück zurück in die Geschichte und Tradition des Braunkohletagebaus. Wir hatten vergangene Woche mit dem Autor Lukas Rietzschel gesprochen, der sich intensiv mit der DDR Vergangenheit und speziell eben mit der Lausitz in seinen Büchern beschäftigt. Er erklärte uns, er spreche viel mit Zeitzeugen, um für sich das Bild so stimmig als möglich zu bekommen. Haben Sie eigene Erinnerungen oder eine familiäre Geschichte, die Sie bewogen haben, beruflich in den Bergbau zu gehen?

 

Der Bergbau hat schon meinen Eltern eine Heimat gegeben, das prägt ein Kind dann selbstverständlich. Für mich war die Energiebranche ein „sicheres Pferd“. Damals galt der Grundsatz: Fängst du in der Kohle an, kannst du dort auch in Rente gehen. Mit diesem Wissen im Gepäck standen früher dazwischen eigentlich nur noch das Bewerbungsgespräch und die Unterzeichnung des Ausbildungsvertrages. Im Hinterkopf hatte ich so vage aber auch das Nachwende-Thema: Massenentlassungen, Arbeitslosigkeit und politische Versprechen, die sich so, wie sie uns gesagt wurden, nicht bewahrheitet haben. Zumindest nicht alle. In der eigenen Familie hat es beispielsweise meine Mutter erwischt: Plötzlich vor dem nichts stehend hat sie mehrfach um weitere Bildungswege gekämpft. Nach erfolgreichen Abschlüssen folgten dann ein paar Jahre Beschäftigung bis auch diese Stellen, in der sonst schon strukturschwachen Lausitz, ebenfalls ersatzlos gestrichen worden sind. Das ist unglaublich demotivierend und darf sich so nicht wiederholen.

 

 

Wenn man die Medienlandschaft hier in Sachsen in den letzten Wochen und Monaten verfolgt, ist das beherrschende Thema die Sorge, dass die Region vergessen werden könnte mit dem Ausstieg aus der Kohleverstromung. Spricht man beispielsweise aber in Nordrhein-Westfalen mit Betroffenen des Strukturwandels, erlebt man es ganz häufig, dass die Bestrebungen der Lausitz und das, was in der Vergangenheit schon erreicht worden ist, sehr positiv wahrgenommen, teilweise sogar als beispielhaft gesehen werden – vor allem was den Umgang mit der Tradition des Bergbaus betrifft. Wie erklären Sie sich, dass es hier einen eklatanten Unterschied zwischen Eigen- und Fremdwahrnehmung gibt?

Zwischen „politischen Versprechen“ und „erlebbaren Realitäten“ klafft bisher noch eine große Lücke. Was nach außen hin wie eine Erfolgsgeschichte aussieht, ist für die Kolleginnen und Kollegen oft eine bittere Pille. Versprechungen für Infrastruktur, wie Gleisausbau und Investitionen in Industrieparks werden mit Bauzeiten von bis zu einem Jahrzehnt versehen. Das Bahnwerk in Cottbus beispielsweise, was wirklich eine sehr gute Industrie und Chance für die Region ist, schafft 1000 neue Jobs. Das ist prima, aber es wird dann schnell vergessen, dass noch 7000 Jobs fehlen, die bisher ersatzlos wegfallen. Und da rede ich noch nicht einmal von den Zulieferern und Dienstleistern, welche auch einen maßgeblichen Anteil an der Energieindustrie in der Lausitz haben und die ebenfalls eine Perspektive brauchen. Gerade auch für die kleineren Betriebe müssen Lösungen gefunden werden. Perspektiven für alle, da schließe ich jeden mit ein.

Zweifelsfrei war die Braunkohle der Motor der DDR und trägt auch heute noch dazu bei, dass die Energie-Grundversorgung in Deutschland gesichert ist. Nichtsdestotrotz wird in absehbarer Zeit die Kohleverstromung hierzulande enden. Welche Schwerpunkte können Sie sich für die Region hierbei vorstellen?

 

Als Region mit „Energiekompetenz“, die wir ja nun zweifelsfrei haben, sollten wir etwas aus unserem Fachwissen machen. Innovationskraftwerke mit Bündelung von Gas, Wasserstoff, Sonne und Windenergie zu einem grundlastfähigen Kraftwerk wäre beispielsweise eine Schlüsselidee für die Energieprobleme der Zukunft. Bau, Betrieb und Forschung rund um das Thema Wasserstoff besitzt ebenfalls das Potential für eine Zukunftsindustrie. Man darf ja nicht vergessen, dass Deutschland einen hohen Energieverbrauch hat, allein schon durch die Industrie, und die Kohle hier immer noch enorm viel davon abdeckt. Abschalten ist das Eine, aber die Alternative braucht es ja auch. Darüber hinaus könnte ich mir ein großes Reallabor für Bergbaufolgelandschaften vorstellen. Wir könnten ein Vorbild für die Energiewende sein, aber ein noch größeres für den Strukturwandel weltweit. Das wäre dann etwas, worauf wir absolut stolz sein könnten.

 

 

Berufe im Bereich des Bergbaus haben in vielen Familien heute noch eine starke Tradition. Wenn man mit Jugendlichen in den Regionen, die vom Strukturwandel betroffen sind bzw. sein werden, spricht, nimmt man immer noch eine starke Verbundenheit mit der Kohle wahr und muss befürchten, dass neue berufliche Perspektiven noch nicht wahrgenommen werden. Wie können wir es schaffen, dass wir diese neuen Möglichkeiten, die sich bieten werden, an diese Generation transportieren, um sie in der Region zu halten?

 

Der Zusammenhalt unter den Kumpel ist einmalig. Die Menschen, welche im Bergbau Arbeiten, gehen mit größter Präzision und Sorgfalt an ihre Tätigkeiten. Sie sorgen jeden Tag für eine durchgehende Kohleförderung und liefern so sichere und bezahlbare Energie. In der Diskussion um den Klimaschutz kann man schnell das Gefühl bekommen, dass wir Bergleute der große Feind der Umwelt sind. Das wird uns allen aber nicht gerecht. Wir haben immer gute Arbeit geleistet, haben unseren Anteil daran, dass Deutschland eine große Industrienation ist und wir tragen auch unseren Anteil am Klimaschutz bei. Um die jungen Menschen in der Region zu halten, müssen sich Chancen für die Regionen schneller bilden. Wir brauchen keine Versprechen, die acht oder gar zwölf Jahre für ihre Verwirklichung benötigen, sondern schnelle Umsetzungen und auch passende Umschulungsangebote. Da wurde uns viel versprochen, was nun zügig realisiert werden muss, damit unsere Lausitz nicht weiter ausblutet.

 

 

Sicherlich ist in den Prozessen um die Wiedervereinigung nicht alles optimal verlaufen und die Menschen in der Lausitz erlebten tiefe Einschnitte auch in ihren Lebensgeschichten. Aber kann der Strukturwandel, der nun vor der Türe steht, nicht auch als Chance gesehen werden, die Lausitz als zukunftsweisende und fortschrittliche Region innerhalb Europas zu etablieren? Als eine Chance, den Lebensraum, in dem man in den nächsten Jahrzehnten leben wird, selbst mitgestalten zu können?

Absolut! Dafür werbe ich in jedem Gespräch, gerade mit den Kolleginnen und Kollegen. Der Schrecken der vergangenen Jahre ist allerdings nicht so einfach zu korrigieren. Dafür soll auch mein Song „unsere Perspektive“ massiv mobilisieren und aufrütteln. Wir haben diese einmalige Chance und ich lade alle dazu ein, sie aktiv mit zu gestalten. Egal ob als Techniker, Betriebsrat oder Künstler. Wenn ich Menschen dazu motivieren kann, sich einzusetzen, lohnt sich jede investierte Minute. Es geht schließlich um unsere Heimat und unsere Zukunft.

 

 

2038 – wenn wir uns in das Jahr beamen könnten und uns dort zu einem Interview treffen würden, wie sieht die Lausitz dann aus? Was wünschen Sie sich, wie Ihre Kinder und Enkel die Lausitz dann erleben werden?

Als eine absolut lebenswerte Region mit vielen Chancen. Ein blühender und auf Zukunft ausgerichteter Energiesektor, ein Wasserstoffcluster, ein gut ausgebautes Bahnnetz, Wartungs- und Forschungsindustrie, eine ausgeprägte Forschung mit der BTU – einfach ein schillerndes Beispiel eines gelungenen Strukturwandels innerhalb und außerhalb der europäischen Grenzen, mit der einmalig genutzten Gelegenheit denjenigen eine Perspektive gegeben zu haben, die einst gegangen sind und zurückkehren wollen. Das wäre mein Herzenswunsch!

Vielen Dank für das gute Gespräch!

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Foto: Martin Ha Matz

Musikvideo zum Song „Unsere Perspektive“: https://youtu.be/oj1ysSBci6c